Mit dem Henker unterwegs
Als „Henker von Bremen“ führt Jens Neumann Besucher durch Bremen. Eine Tour, die oft nichts für schwache Nerven ist. Manche schauen ängstlich, manche amüsiert. Aber alle schauen, wenn ihnen der Henker begegnet. Und alle schauen sie hoch. 2,10 Meter misst der Mann, ein furchteinflößender Anblick wie er so dasteht mit blutbefleckter Schürze, Ketten, Seilen und Folterwerkzeugen. Aber genau das entspricht seiner Rolle – dem „Henker von Bremen“.
Figur ist erfunden
Nein, den Henker von Bremen hat es nicht gegeben. Irgendwann ist da ein Gedanke gewesen: „Mal was ganz anderes machen. Etwas, mit dem ich richtig auffalle“ – die Geburtsstunde des Henkers, der auf seinen Touren durch die Innenstadt Bremer Historie mit blutrünstigen Gruselgeschichten verknüpft. Keine Führung im herkömmlichen Sinne, es werden die Teilnehmer aktiv mit einbezogen. Da kann es durchaus vorkommen, dass einer die Schandgeige tragen muss, eine hölzerne Fessel um Hals und Hände. Als Henker steuert Neumann markante Punkte im Stadtzentrum an, baut sie in sein Spiel ein. Den Schnoor natürlich oder das Gerichtsgebäude. Und den Spuckstein hinter dem Dom, wo er die Geschichte von der Hinrichtung Gesche Gottfrieds erzählt.
Apropos: Wenn er am ehemaligen Gefängnis von Gesche Gottfried über die Details mittelalterlicher Folterungen berichtet, werde einem Teil seiner Zuhörer regelmäßig schlecht. Nein, die Henkerstour ist wirklich nichts für Zartbesaitete. Tatsächlich geht Neumann in seiner Rolle nicht eben zurückhaltend vor. Er raunzt Passanten an, taucht überraschend an Tischen von Café-Besuchern auf, und wehe, ihm begegnet eine Frau mit roten Haaren oder einem Pelzmantel. . . „Aber ich habe ein Auge und das Gespür dafür, mit wem ich was machen kann“, verspricht er.
Da lässt sich eine Frau nicht vom Henker einschüchtern und gibt ihm mit kecken Worten Kontra. Das ist gewagt. „Wovon redest du, Weib?“, herrscht er sie mit tiefer Stimme an und rückt seine 2,10 Meter bedrohlich nahe an die zierliche Mittvierzigerin heran. Er greift nach seiner Zungenzange, denn „die ist für Lästermäuler wie dich“, zischt er mit gefährlich leiser Stimme. Längst hat sich ein Pulk Neugieriger um die Szene mitten im Schnoor versammelt.
Aber damit ist dann auch genug. Schließlich will der „Henker von Bremen“ niemanden wirklich erschrecken. Er will unterhalten, will Freude bereiten. Und so stehen die beiden kurz darauf in freundlicher Umarmung nebeneinander und die Frau bekommt ein einmaliges Souvenirfoto, das demnächst daheim die Runde machen wird.